Erpresserbanden attackieren Schweizer KMUs mit gefälschten Google-Bewertungen
Eine neue Betrugsmasche bedroht die digitale Reputation Schweizer Kleinbetriebe: Organisierte Banden aus Pakistan und Indien überziehen heimische Unternehmen mit negativen Fake-Reviews auf Google Maps und fordern anschliessend Lösegelder zwischen 100 und 200 Franken.
Systematischer Angriff auf die digitale Wirtschaft
Max Minin, Inhaber der Dent Blanche Carrosserie-Werkstatt in Gretzenbach (SO), erlebte diese moderne Form der Erpressung am eigenen Leib. Innerhalb weniger Minuten tauchten vier negative Bewertungen von offensichtlichen Fake-Accounts auf seinem Google-Maps-Profil auf. Alle Reviews stammten von englischsprachigen Profilen, deren Inhaber garantiert nie seine Dienste in Anspruch genommen hatten.
Obwohl Google die gefälschten Bewertungen nach Minins Meldung zunächst entfernte, kehrten sie drei Tage später zurück und blieben dauerhaft bestehen. Für den Solothurner Unternehmer ein existenzielles Problem: "Die Google-Maps-Bewertung ist sehr wichtig für mein Geschäft", erklärt er.
Internationale Erpressernetzwerke im Visier
Recherchen von SRF konnten die mutmasslich gefälschten Accounts zu einem pakistanischen Erpresserring zurückverfolgen. Die Betrüger operieren systematisch und grenzüberschreitend: Dieselben Fake-Profile, die negative Reviews bei der Schweizer Carrosserie hinterliessen, bewerteten auch ein Dachsanierungsunternehmen in Finnland negativ.
Kay Dean, ehemalige Ermittlerin bei US-Behörden und heute Betreiberin des YouTube-Kanals "Fake Review Watch", hat weitere Belege für die internationale Dimension des Problems gesammelt. Ein einzelner Erpresserring mit pakistanischer Telefonnummer führt derzeit Erpressungsversuche bei Dutzenden von Unternehmen in Frankreich, Spanien, Italien, den Niederlanden, der Schweiz und den USA durch.
Industrielle Fake-Review-Produktion
Gemäss Deans Analyse gehören die Erpresser meist zu spezialisierten Organisationen in Südasien, die sich auf den Handel mit Google-Maps-Bewertungen fokussiert haben. Diese Netzwerke unterhalten regelrechte Armeen von Fake-Profilen und lassen mittels Künstlicher Intelligenz automatisiert Reviews verfassen.
Das Geschäftsmodell ist perfide einfach: Nach einer Welle negativer Bewertungen folgt eine WhatsApp-Nachricht mit der Erpressungsforderung. Zahlt das Unternehmen, verschwinden die schlechten Reviews, verweigert es die Zahlung, bleibt der Reputationsschaden bestehen.
Googles Verantwortung in der Kritik
Dean macht Google eine Mitschuld an der Verbreitung solcher Betrugsmaschen: "Bewertungsplattformen wie Google haben ein derart lasches Umfeld geschaffen, dass Betrug quasi belohnt wird", kritisiert die Expertin. Ehrliche Unternehmen würden Schaden nehmen, während Betrüger, die für Strafverfolgungsbehörden praktisch unerreichbar seien, ungehindert operieren könnten.
Google versichert auf Anfrage, Bewertungen sowohl algorithmisch als auch durch menschliche Teams auf betrügerische Inhalte zu überprüfen. Das Unternehmen ergreife Massnahmen von der Entfernung einzelner Inhalte bis zur Löschung ganzer Profile und gehe auch rechtlich gegen Betrügernetzwerke vor. Angesichts der gravierenden Ausmasse des Problems führte Google im vergangenen Monat ein spezielles Meldeformular für Erpressung durch negative Bewertungen ein.
Schutz für betroffene Unternehmen
Experten raten betroffenen Unternehmern zu klaren Verhaltensregeln: Keinesfalls auf die Erpresser eingehen, deren Nummern sofort blockieren und unter keinen Umständen zahlen. Alle gefälschten Bewertungen sollten bei Google gemeldet und sämtliche Kommunikation mit den Betrügern dokumentiert werden.
Die systematischen Angriffe auf die digitale Reputation Schweizer KMUs verdeutlichen die Verwundbarkeit unserer digitalisierten Wirtschaft. Während internationale Konzerne wie Google Milliarden mit Bewertungsplattformen verdienen, tragen letztlich die ehrlichen Unternehmer die Kosten für unzureichende Sicherheitsmassnahmen.