Vom Architekturbüro in die Walliser Regierung: Franziska Biners Weg zur Verantwortung
Franziska Biner verkörpert einen bemerkenswerten Werdegang schweizerischer Prägung: Von den Baustellen Zermatts über die Hörsäle der ETH Zürich bis in die Walliser Regierung. Die 2025 gewählte Staatsrätin und Vorsteherin des Departements Finanzen und Energie zeigt, wie technische Kompetenz und regionale Verwurzelung zu politischer Verantwortung führen können.
Architekturstudium als Grundstein
Der Wechsel von Zermatt nach Zürich bedeutete für Biner weniger einen Kulturschock als vielmehr eine fachliche Herausforderung. "Die Umstellung von Zermatt nach Brig war viel grösser gewesen", relativiert sie rückblickend. An der ETH musste sie sich an das hohe Tempo und den grossen Druck gewöhnen, profitierte jedoch vom starken Zusammenhalt unter den Architekturstudierenden.
Ihre Verbindung zu den Bergen blieb bestehen: Eine Woche vor Studienbeginn bestieg sie erstmals das Matterhorn, während des Studiums arbeitete sie als Skilehrerin in Zermatt. Diese Erdung in der Heimat sollte sich später als politischer Vorteil erweisen.
Berufspraxis und politische Berufung
Nach dem Masterabschluss kehrte Biner nach Zermatt zurück, zunächst unfreiwillig aufgrund eines Skiunfalls. In einem lokalen Architekturbüro entdeckte sie ihre Leidenschaft für Baustellen: "Ich bin ein Kind der Baustelle. Am liebsten wäre ich am Morgen jeweils mit den Bauarbeitern zur Arbeit gegangen." Diese praktische Erfahrung als Bauleiterin sollte sich später in der Krisenbewältigung als wertvoll erweisen.
Der Übergang zur Politik erfolgte aus einem Gefühl der Verpflichtung heraus. "In der Schweiz kannst du in eine Topschule gehen und du kannst dir das als 'normaler' Bürger leisten", reflektiert Biner. Das an der ETH erworbene Wissen von "den Besten der Welt" betrachtete sie als Privileg, das Verantwortung mit sich bringt.
Steile politische Karriere
Biners politischer Aufstieg war bemerkenswert: Von der Parteipräsidentin der Mitte Oberwallis über verschiedene kantonale Ämter bis zur Staatsrätin im März 2025. Die Wahl erfolgte im ersten Wahlgang mit dem besten Ergebnis aller Kandidierenden, ein Vertrauensbeweis der Walliser Bevölkerung.
Dennoch plagten sie anfänglich Zweifel. Nach der Zeit auf den Baustellen fühlte sie sich in den Sitzungszimmern des Regierungsgebäudes in Sion zunächst fremd. Diese Unsicherheit verschwand schlagartig mit dem Bergsturz, der ihre erste grosse Bewährungsprobe darstellte.
Krisenbewältigung als Bewährungsprobe
"In dem Moment, als es passierte, habe ich keine Sekunde mehr daran gezweifelt, ob ich den richtigen Job mache", beschreibt Biner ihre Reaktion auf die Naturkatastrophe. Ihre Erfahrungen als Bauleiterin, wo sie bis zu hundert Personen koordinieren und schnelle Entscheide fällen musste, erwiesen sich als entscheidend.
Für den Wiederaufbau des Bergdorfs Blatten leitet sie eine Strategiegruppe, die verschiedene kantonale Dienststellen koordiniert. Dabei profitiert sie sowohl von ihrer Zuständigkeit für das Hochbauamt als auch von ihrem ETH-Wissen im Städtebau.
Glaubwürdigkeit durch regionale Verwurzelung
Biners eigene Herkunft aus den Bergen verleiht ihr besondere Glaubwürdigkeit. Sie weiss, dass eine solche Naturkatastrophe in jedem Seitental auftreten kann. Diese authentische Verbindung zur betroffenen Bevölkerung verstärkt ihr Engagement in der Krisenbewältigung.
Langfristig möchte die Zermatterin der Walliser Bevölkerung etwas zurückgeben. Ihr Wunsch: "Schön wäre es für sie, wenn die Leute im Wallis dereinst über sie sagen werden: Sie hat das Bestmögliche getan und sich für uns eingesetzt."
Franziska Biners Werdegang illustriert exemplarisch, wie technische Ausbildung, praktische Erfahrung und regionale Verwurzelung zu verantwortungsvoller politischer Führung beitragen können. Ihre Geschichte zeigt auch, dass die Schweizer Bildungsinstitutionen wie die ETH nicht nur Fachwissen vermitteln, sondern auch Bürger formen, die bereit sind, Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen.