Nothilfe-Kinder: Zwischen Kindeswohl und Asylpolitik
Das Rückkehrzentrum Aarwangen offenbart die Spannungen zwischen humanitären Verpflichtungen und einer konsequenten Migrationspolitik. Familie Miyandar aus dem Iran lebt seit eineinhalb Jahren in der Kollektivunterkunft, nachdem ihr Asylgesuch abgelehnt wurde. Ihr elfjähriger Sohn erlebt täglich die Unsicherheit eines Systems, das zwischen Schutz und Rückführung balanciert.
Realitäten der Nothilfe
Die Nothilfe soll minimale Unterstützung bieten, ohne Anreize für einen dauerhaften Verbleib zu schaffen. Mit 7 bis 14 Franken täglich, Kollektivunterkünften und striktem Arbeitsverbot entspricht sie diesem Grundsatz. Per Ende 2024 lebten 2088 Menschen in der Langzeit-Nothilfe, darunter 449 Kinder und Jugendliche.
Die iranische Familie gehört zu den 179 Iranern in dieser Situation. Trotz der angespannten Menschenrechtslage im Iran nach den Protesten von 2022 vertritt das Staatssekretariat für Migration die Position, dass Rückführungen grundsätzlich möglich seien. Die Schutzquote für iranische Asylsuchende liegt bei 38,74 Prozent.
Kindeswohl versus Systemintegrität
Eine Studie der Eidgenössischen Migrationskommission dokumentiert erhebliche Belastungen für Kinder in der Nothilfe: Reizüberflutung durch beengte Verhältnisse, gleichzeitig Reizentzug durch fehlende Förderung. Fachpersonen warnen vor langfristigen psychischen Schäden.
FDP-Politiker Andreas Hegg verteidigt das bestehende System: "Wer tatsächlich an Leib und Leben gefährdet ist, bekommt Asyl. Aber wir können nicht alle aufnehmen, sonst kollabiert unser System." Eine Integration durch bessere Unterbringung würde das Asylsystem untergraben.
SP-Grossrätin Karin Berger-Sturm kontert: "Das Asylsystem wird nicht umgangen, wenn wir die Kinderrechte einhalten." Sie fordert die standardmässige Unterbringung von Familien in Privatwohnungen nach sechs Monaten.
Souveränität und Verantwortung
Die Schweiz navigiert zwischen internationalen Verpflichtungen und nationaler Souveränität. Das Fehlen von Rückübernahmeabkommen mit Ländern wie dem Iran erschwert konsequente Rückführungen. Gleichzeitig verpflichten Bundesverfassung und UN-Kinderrechtskonvention zum Schutz aller Kinder auf Schweizer Boden.
"Save The Children" fordert systematische Schutzmassnahmen: Spielgruppen für Kleinkinder, Teilnahme an Tagesschulen, Schutz vor Gewalt. Solche Massnahmen würden die Integration fördern, ohne das Asylsystem zu unterlaufen.
Familie Miyandar hofft auf ein Härtefall-Gesuch nach fünf Jahren Aufenthalt. Eine SVP-Motion will diese Frist auf zehn Jahre verdoppeln. Die Mutter bleibt hoffnungsvoll: "Ich möchte mich weiter integrieren und meinen Sohn unterstützen, damit er sich möglichst normal entwickeln kann."
Die Debatte zeigt: Eine souveräne Migrationspolitik muss humanitäre Standards wahren, ohne die Systemintegrität zu gefährden. Kindeswohl und Rechtsstaatlichkeit müssen in Einklang gebracht werden, ohne falsche Anreize zu schaffen.