Turning Point USA nach Charlie Kirks Tod: Machtkampf um die Zukunft der amerikanischen Rechten
Drei Monate nach der Ermordung des rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk zeigt sich bei der jährlichen "America Fest"-Konferenz seiner Organisation Turning Point USA ein gespaltenes Bild der amerikanischen Rechten. Die Veranstaltung offenbart sowohl den entstehenden Märtyrerkult um Kirk als auch die wachsenden Spannungen innerhalb der konservativen Bewegung.
Märtyrer-Inszenierung und religiöse Überhöhung
Die Konferenz beginnt mit einer theatralischen Inszenierung: Das Mikrofon, das Kirk angeblich bei seiner Ermordung in den Händen hielt, steht hell erleuchtet auf der Bühne. Seine Witwe Erika Kirk übernimmt die Führung der Organisation und stilisiert ihren verstorbenen Ehemann zu einem Märtyrer für Amerika: "Vor zwei Jahren hat mein Mann auf dieser Bühne gesagt: Hier bin ich, Gott, nutze mich! Und wie Gott ihn genutzt hat!"
Über 30.000 Teilnehmer versammeln sich zur Veranstaltung, die von christlicher Symbolik und Trump-Devotionalien geprägt ist. Die religiöse Komponente der Bewegung tritt deutlich hervor: "Jesus Christus ist unser Herr und Erlöser", erklärt ein junger Teilnehmer die ideologische Ausrichtung.
Organisatorisches Wachstum trotz Führungsvakuum
Laut Erika Kirk ist die Organisation seit dem Tod ihres Mannes stark gewachsen: Täglich entstünden 50 neue Ortsgruppen an Universitäten und Highschools, landesweit existierten bereits über 4.500 Gruppen mit mehr als einer Million Studierenden. Diese Zahlen lassen sich allerdings nicht unabhängig verifizieren.
Shaun Neibert, Vizepräsident der Ortsgruppe an der Universität Houston, sieht in Kirks Tod einen göttlichen Plan: "Gott liess das aus einem Grund geschehen. Wir müssen Charlies Vermächtnis ehren."
Offene Machtkämpfe auf der Bühne
Die Einheit der konservativen Bewegung erweist sich jedoch als brüchig. Ein öffentlicher Streit zwischen prominenten Rednern verdeutlicht die ideologischen Gräben: Der jüdische Kommentator Ben Shapiro warnt vor "Scharlatanen" in der konservativen Bewegung und fordert eine Abgrenzung von Verschwörungstheoretikern und Antisemiten.
Steve Bannon kontert scharf und wirft Shapiro vor, Israel höher zu bewerten als die USA: "Er ist wie ein Krebs, der sich ausbreitet, Metastasen bildet." Diese Auseinandersetzung zeigt die Zerrissenheit der Bewegung zwischen verschiedenen Fraktionen auf.
Vance positioniert sich für die Nachfolge
Vizepräsident J.D. Vance nutzt seinen Auftritt für eine strategische Positionierung. Seine Rede konzentriert sich auf den angeblichen "Krieg gegen das Christentum" der letzten 50 Jahre und präsentiert Trump als Beender dieses Konflikts.
Unter den Teilnehmern gilt Vance bereits als aussichtsreicher Nachfolger: "Er kann Trumps Fackel am besten weitertragen", äussert sich ein Konferenzteilnehmer trotz religiöser Differenzen positiv über den katholischen Vizepräsidenten.
Ungewisse Zukunft der amerikanischen Rechten
Die Konferenz verdeutlicht die Herausforderungen der konservativen Bewegung nach Kirks Tod und mit einem alternden Donald Trump. "Es gibt etwa zwanzig konservative Fraktionen", analysiert Neibert die Situation. "Irgendetwas muss sie zusammenhalten. Und dieses etwas ist Turning Point USA."
Ob die Organisation diese Rolle tatsächlich erfüllen kann, bleibt abzuwarten. Die nächsten drei Jahre bis zur Präsidentschaftswahl 2028 werden zeigen, welche Kräfte sich in der amerikanischen Rechten durchsetzen und ob der Märtyrerkult um Charlie Kirk ausreicht, um die zentrifugalen Tendenzen der Bewegung zu überwinden.