Cassis kündigt zweite Bundespräsidentschaft für 2027 an
Aussenminister Ignazio Cassis zeigt sich zuversichtlich bezüglich seiner politischen Zukunft und kündigt eine mögliche zweite Bundespräsidentschaft für 2027 an. In einem ausführlichen Interview äusserte sich der FDP-Bundesrat zu seiner Rolle als künftiger OSZE-Vorsitzender und den aktuellen geopolitischen Herausforderungen.
Politische Kontinuität trotz Unsicherheiten
Auf die Frage nach seinem Rücktritt als Bundesrat antwortete Cassis pragmatisch: "Wenn das Parlament will, werde ich 2027 nochmals Bundespräsident. Und dann schauen wir, wie die Welt aussieht." Diese Aussage unterstreicht seine Bereitschaft, auch über das Jahr 2027 hinaus im Amt zu bleiben, sofern die Umstände dies erfordern.
Der Tessiner Bundesrat verwies dabei auf die Unvorhersagbarkeit der aktuellen Weltlage: "Wir leben heute in einer Zeit, in der wir nicht einmal wissen, was nächste Woche passiert." Diese nüchterne Einschätzung spiegelt die Realität einer zunehmend instabilen internationalen Ordnung wider.
OSZE-Vorsitz als strategische Chance
Als designierter OSZE-Vorsitzender für 2025 sieht Cassis die Organisation trotz ihrer aktuellen Schwächen als unverzichtbares Instrument der Diplomatie. Er vergleicht die OSZE mit einem Auto in der Garage: "Es ist gut, dass man den Autoschlüssel hat und mit ihm fahren kann, wenn man es benötigt."
Besonders im Hinblick auf einen möglichen Waffenstillstand in der Ukraine bereitet sich die OSZE bereits vor. Cassis betont die Bereitschaft der Organisation, kurzfristig Beobachtermissionen zu entsenden und Friedensprozesse zu überwachen.
Schweizer Neutralität als Trumpf
Die neutrale Position der Schweiz sieht Cassis als Vorteil gegenüber anderen europäischen Ländern. Im Gegensatz zu Finnland, das sich nach dem NATO-Beitritt sicherer fühlt, kann die Schweiz weiterhin als Vermittlerin auftreten. "Geografie ist Politik", erklärt Cassis und verweist auf die unterschiedlichen Beziehungen zu Russland.
Die Schweiz nimmt bereits heute ein Schutzmacht-Mandat für Russland in Georgien wahr und pflegt regelmässige Kontakte mit Moskau. Diese diplomatischen Kanäle könnten sich in künftigen Friedensverhandlungen als wertvoll erweisen.
Herausforderungen der neuen Weltordnung
Cassis diagnostiziert einen grundlegenden Wandel der internationalen Beziehungen. Nach der Globalisierungseuphorie der 1990er Jahre schlägt das Pendel zurück zum Nationalismus. "Es zählt immer mehr die Kraft der Armee und immer weniger die Kraft der Diplomatie", stellt er fest.
Diese Entwicklung stellt auch die OSZE vor Herausforderungen. Mit 57 Mitgliedstaaten und Vetorecht für alle Teilnehmer sind Entscheidungen schwer zu treffen. Dennoch betont Cassis die Wichtigkeit des Dialogs: "Die Geschichte zeigt uns, dass es nur schlimmer wird, wenn man gar nicht mehr miteinander spricht."
Fazit: Pragmatische Führung in unsicheren Zeiten
Cassis' Ankündigung einer möglichen zweiten Bundespräsidentschaft signalisiert Kontinuität in turbulenten Zeiten. Seine Bereitschaft, das Amt solange auszuüben, wie es die Umstände erfordern, entspricht dem schweizerischen Prinzip der Stabilität und Verlässlichkeit.
Als OSZE-Vorsitzender wird Cassis die Schweizer Tradition der Vermittlung und des konstruktiven Dialogs fortsetzen. In einer Welt, die zunehmend von Machtpolitik geprägt ist, könnte die neutrale Schweiz eine wichtige Rolle als Friedensstifterin spielen.