ETH-Durchbruch: Künstliche Aminosäuren revolutionieren die Biotechnologie
Schweizer Forscher der ETH Zürich haben einen bedeutenden Durchbruch in der Biotechnologie erzielt. Mit einer innovativen Methode können sie künstliche Aminosäuren effizient in Bakterien einschleusen und damit die Herstellung von Designer-Proteinen revolutionieren.
Neue Möglichkeiten für die Medizin
Künstliche Aminosäuren eröffnen in allen Anwendungsgebieten von Proteinen neue Perspektiven. Therapeutische Proteine können dank zusätzlicher chemischer Gruppen gezielter und effektiver wirken. Fluoreszierende Komponenten oder solche mit Atomen wie Chlor oder Fluor, die normalerweise in Proteinen nicht vorkommen, können bildgebende Verfahren in Medizin und Forschung verbessern.
Darüber hinaus werden Enzyme mit neuartigen Katalyse-Fähigkeiten möglich. Durch spezifische Vernetzungsaminosäuren lassen sich Proteine konstruieren, die auch unter extremen äusseren Bedingungen wie Hitze oder Druck effizient funktionieren. Über spezielle Kopplungsgruppen können Wirkstoffe an Trägerproteine gebunden werden, die Medikamente zuverlässig zum kranken Gewebe transportieren.
Das Trojanische Pferd der Biochemie
Bisher war der gezielte Einbau von synthetischen Aminosäuren in Proteine deutlich ineffizienter als die Herstellung von Proteinen aus den 20 natürlichen Aminosäuren. Ein wesentlicher Engpass: Unnatürliche Aminosäuren gelangten oft nur in sehr kleinen Mengen in die für die biotechnologische Produktion verwendeten Bakterien.
Die Forschungsgruppe von Professor Lang hat nun eine Lösung entwickelt, die es erlaubt, künstliche Aminosäuren effizient in Bakterien einzuschleusen. Die Wissenschaftler haben dafür ein natürliches Transportsystem des Bakteriums E. coli gekapert, das normalerweise kurze Protein-Schnipsel aus der Umgebung in die Zelle transportiert.
Die ETH-Biochemiker wendeten zwei entscheidende Tricks an: Zum einen verpackten sie die unnatürlichen Aminosäuren in kurze synthetische Peptide, in denen sie von natürlichen Bausteinen umgeben sind. Diese getarnte Fracht lässt der Transporter bereitwillig passieren - ein molekulares Trojanisches Pferd.
Massgeschneiderte Lösungen durch Evolution im Zeitraffer
Zusätzlich veränderten die Forschenden die Shuttle-Komponente gezielt. Sie bestimmten die molekulare Struktur der Bindungsstelle für die Peptide und veränderten diesen Bereich systematisch, bis die Bindungsstelle auf ein bestimmtes Peptid mit künstlichen Aminosäuren zugeschnitten war.
Für dieses Zuschneiden nutzen die Forschenden Methoden, welche die biologische Evolution im Schnellzugstempo nachahmen. Mit diesem Vorgehen lässt sich das Transportsystem für unterschiedlichste Peptide mit unnatürlichen Aminosäuren massschneidern.
"Die unnatürlichen Aminosäuren stehen nun in den in der Biotechnologie am häufigsten genutzten E. coli-Zellen in grossen Mengen zur Verfügung", erklärt Tarun Iype, Doktorand in Langs Gruppe und einer der Erstautoren der Studie.
Schweizer Innovation mit Patentschutz
"Damit lassen sich Designerproteine, die unnatürliche Aminosäuren enthalten, in vielen Fällen genauso effizient produzieren wie ihre natürlichen Pendants", ergänzt Maximilian Fottner, Wissenschaftler in Langs Gruppe. Die ETH Zürich hat die neue Methode zum Patent angemeldet und sichert damit die schweizerische Innovationskraft.
Aktuell funktioniert die Methode in E. coli-Bakterien. "Wir arbeiten daran, auch in menschlichen Zellen ein vergleichbares System zu konstruieren", sagt Lang. "Mit diesem liessen sich Proteine herstellen, die alle menschlichen Besonderheiten enthalten, was sie für verschiedenste therapeutische Einsatzmöglichkeiten besser geeignet machen würde."
Ausblick auf weitere Anwendungen
Die Pläne der ETH-Biochemiker reichen über Aminosäuren hinaus: "Wir wollen das System so weiterentwickeln, dass sich auch andere, bisher nicht zellgängige Moleküle in Zellen einschleusen lassen." Diese könnten als Ausgangsstoffe dienen, um komplexe chemische Verbindungen effizient biotechnologisch herzustellen.
Dieser Durchbruch der ETH Zürich stärkt die Position der Schweiz als führender Standort für Biotechnologie und medizinische Innovation und eröffnet neue Perspektiven für die pharmazeutische Industrie des Landes.